Toni Stadler Global Times
Toni Stadler, Historiker, Experte, Referent
Inhalt
1. Von Orchideen und globalen Paaren
2. Globaler Schick
3. Der dem Krieg alles verdankte
4. Zurück aus Riad
5. Nie wieder Gstaad
6. Globale Strömungsabrisse
7. Modernisierung mit Gewalt
8. Visionäre Kunst
9. Die Ordnung in der Defensive
10. Globaler Schliff
11. Das Zentrosom verstehen
12. Hundert Milliarden Galaxien über Kurdistan
13. Modernisierung mit Dollars
14 Augen zu: Globalkultur
15 Verfrühte Ankunft in Bagnols
16. Jenseits des Globalen
17. Erotische Kreativität in Tianjin
18. Modernisierung durch Revolution
19. Globale Spiele
20. Eine lokale Katastrophe
21. Vom Wunsch, nicht von dieser Welt zu sein
22. Was will ein Mann mit 45?
23. Produzieren, was der Markt will
24. Der blutrote Wasserfall
25. Probleme mit dem Götterhimmel
26. Wenn Modernisierer ins mittlere Alter kommen
27. Globales Bandenwesen
28. Suche global mobilen Mann
29. Nahausflüge in die Alpen
30. Einen globalen Helden bauen
31. Globale Götterdämmerung
32. Ovationen an die planetare Vielfalt
33. Globale Monster bauen
34. Einfälle und ihre Verbreitung
35. Leitwerk-Mängel
36. Gestorben wird anderswo
Zitate aus Global Times
Aus dem Kapitel "Ovationen an die planetare Vielfalt":
"UNESCO ist nicht dazu da, Menschen gleichzumachen, einzumitten und eine globale Uniformität des Geistes zu fördern!", sagte Direktor Nat Natarajan vor dem barocken Wandspiegel meiner Dienstwohnung in Paris. Seine Organisation, wir wüssten es, stehe ein für Toleranz, Pluralität und Diversität. Worauf die vier skandinavischen Kolleginnen am Tisch zurückschossen:
"Wer Toleranz sagt, muss die Grenzen der Grosszügigkeit festlegen. Wer Pluralität sagt, muss angeben, was alles unter diesem Gutwort Platz finden darf. Wer Diversität sagt, muss wissen, dass zu viel davon ins Chaos führt!" Die vier Frauen aus dem Norden mussten so oft wie ich schlechte Erfahrungen mit der Kulturorganisation gemacht haben, und Nat Natarajan war an jenem Abend ihr männlich schönes Opfer.
Aus dem Kapitel "Wenn Modernisierer ins mittler Alter kommen":
Saudi-Arabien und Menschenrechte: "Denn richtiges und fragwürdiges amerikanisches Denken war 1948 in Art. 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte geflossen", denkt die Ich-Figur Marius B. "Weil Juden und andere Minoritäten unter dem Nationalsozialismus auf das Schlimmste gelitten hatten, schien es selbstverständlich, die Unantastbarkeit von Kulturen und Religionen bedingungslos und weltweit verbindlich festzuschreiben. Dabei bedachten die Idealisten um Eleanor Roosevelt zu wenig, dass manche Kulturen und Religionen selbst die Menschenrechte verletzen. Wer wörtlich an die Bibel oder an den Koran glaubt, sollte darüber nachdenken, dass das, was Moses dort den erbarmungswürdigen Medianitern oder Mohammed den «Götzendienern» anzutun befiehlt, ähnlich klingt wie der Appell zur Ermordung aller Tutsi von Radio Ruanda im April 1994. Es ist Anstiftung zur Gewalt und würde die beiden Autoren heute vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag bringen."
Aus dem Kapitel "Hundert Milliarden Galaxien über Kurdistan":
"Was versteht ihr in Europa unter dem Wort modern?", wird Serhildan, mein Fahrer und Jurist beim Mittagessen in Bagdad fragen. Und ich werde ihm antworten: "Modern, gegenwärtig, neuzeitlich ist vorerst einmal, wer wissen will und nicht einfach glaubt. Modern ist, wer sich die Lebensziele und den Lebenssinn selbst gibt. Modern ist, wer seine Kenntnisse auf der Höhe der Zeit hält. Modern ist, wer sein Dasein geniesst, solange das niemand anderem oder der Umwelt schadet. Modern ist, wer sich für die menschliche Zukunft verantwortlich fühlt und lebenslang daran mitarbeitet. Auch ohne jede Aussicht auf Belohnung im Diesseits oder im Jenseits, wie der greise Konfuzius beifügen würde". - "Konfuzius ist leider nicht Araber gewesen", wird mir Serhildan dann wohl sagen, und dazu mit seinen Fingern schnippen.
Aus dem Kapitel "Der dem Krieg alles verdankte":
"Haben Sie je einen Menschen getötet?", fragte mein Nachbar Gwendal Lepoittevin, der französische Militärattaché bei der UNO Mission in Genf.
"Selbstverständlich nicht", sagte ich.
"Selbstverständlich nicht", murmelte Gwendal. USA-Senator Swifty Tomoko könne von Glück reden, die Schlacht Mann gegen Mann auf dem Monte Cassino verpasst zu haben, meinte er dann, irgendwie traurig, während sein linkes Auge zuckte. Ich schwieg betroffen. Ohne Grund, wie ich fand, aber vielleicht hätte ich ihm die Geschichte meines Schwiegervaters nicht erzählen sollen.
Aus dem Kapitel "Erotische Kreativität in Tianjin":
Im Gegensatz zu meinem Nachbarn Raul Ramora-Luz, einem Ingenieur bei Airbus Toulouse, ist mir die gefährliche Verbindung von Sex und Gewalt in thailändischen Gefängnissen und auf afrikanischen Kriegssauplätzen aufgefallen, nicht bei robusten Spielen für Erwachsene in einer umgebauten Pferdefarm zu Gstaad. Bedingungslos zu herrschen oder bedingungslos beherrscht zu werden sind offensichtlich erotisierende Urgefühle. Ein guter Teil der heutigen Pop-Kultur und eine milliardenschwere Pornoindustrie leben davon. Da selbst wir Modernen nun einmal so gebaut sind, müsste es in einer künftigen Globalkultur darum gehen, wie diese einst nützlichen Urgefühle durch den Verstand besser kontrolliert werden können, damit sie in die Moderne passen.
Aus dem Kapitel "Globale Spiele":
Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, dem die Kuratorin Tiala van Kesteren in seinem Büro erklärt hatte, mit der richtigen pädagogischen Botschaft könnte das Internationale Olympische Komitee einen nützlichen Beitrag leisten zu einer fortschrittlichen Welt mit weniger ungewählten Staatchefs, weniger fundamentalistischen Predigern und weniger benzinfressenden SUVs, habe ihr väterlich geantwortet, was Frau van Kesteren da sage, sei zwar schon extrem interessant, doch für ein attraktives Olympisches Museum könne seine Institution nur positive Emotionen brauchen. - "Positive Emotionen", lästerte Tiala. "Das ist, was einer Kuh widerfährt, wenn ihr, vor einem fetten Kleefeld stehend, der Geifer aus dem Maul läuft!"
Aus dem Kapitel "Ideen und ihre Verbreitung":
"Ein Liberalismus, der universell werden will, braucht eine Art der Lenkung", betonte meine geistesverwandte Freundin, Biochemie-Professorin Kahina Relke. "In einer zusammenwachsenden Welt genügt es nicht, der Staatsmacht zu misstrauen und die Freiheitsrechte zu verteidigen. Denn wer die Zukunft nur als Resultierende des Konkurrenzkampfs zwischen IT-Milliardären, Öl- und Rohstoffkonzernen plus den durch sie finanzierten politischen Parteien sehen will, also keinen Kurs für den Gesamtentwurf angibt, setzt fahrlässig aufs Geratewohl, wird die Klimaerwärmung nicht unter Kontrolle bringen, wird Kriege um Rohstoffe und Wasser nicht verhindern und die wachsende Konzentration des globalen Reichtums auf wenige Superreiche nicht aufhalten."